Das wandelnde Schloss

Worum geht’s?

Sophie hat das große Unglück, die älteste von drei Töchtern zu sein. Jeder in Ingari weiß, dass die Älteste dazu bestimmt ist, kläglich zu versagen, sollte sie jemals ihr Zuhause verlassen, um ihr Glück zu suchen. Und so geschieht, was geschehen muss: Sophie zieht den Zorn einer Hexe auf sich und wird verflucht.

Ihre einzige Rettung liegt im wandelnden Schloss. Dort wohnt der mächtige, aber herzlose Zauberer Howl, der sie von ihrem Fluch erlösen könnte. Wenn Sophie ihm nur davon erzählen könnte, doch das verhindert der Zauber, der auf ihr liegt.

Also wird Sophie die Hausdame des wandelnden Schlosses und versucht zwischen zynischen Feuerdämonen und magischen Welten, ihre alte Gestalt zurückzuerlangen.

Meine Meinung

Auf die Geschichte von „Das Wandelnde Schloss“ bin ich zunächst durch den Film aus dem Hause Ghibli und vom bekannten Filmemacher Hayao Miyazaki gestoßen. Seine Filme gehören ähnlich geschaut wie die Disney-Klassiker oder die Harry-Potter-Reihe. „Das Wandelnde Schloss“ ist dabei sein wunderbarstes Meisterwerk. Bildgewaltigkeit und Geschichtentiefe übertreffen seine Ghiblikollegen, sodass es nicht reicht, den Film lediglich ein einziges Mal anzuschauen, um behaupten zu können, ihn wirklich – mit allen Facetten – gesehen zu haben. Dabei bleiben allerdings auch nach dem dritten und sechsten Mal noch Fragen offen. Zum Glück schafft das Originalwerk Abhilfe.

Es ist verständlich, warum manche Autoren sich strikt weigern, ihr Werk verfilmen zu lassen. Zwar ist die Umsetzung Miyazaki in diesem Fall gut gelungen, dennoch steht der Film in keinem Verhältnis zu dem Buch. Es ist bedauerlich, dass Filme oft bequem machen, und die Menschen von dem zeitintensiveren Buch zurückschrecken… Dabei wird zwar im Großen und Ganzen die gleiche Geschichte erzählt, aber mit ganz anderen Mitteln und Methoden. Und als begeisterter Bücherwurm gewinnt diesen kleinen Wettstreit nun Mal in den meisten Fällen das Buch.

Wo soll man dabei mit dem Lob anfangen? Zunächst zu der Protagonistin Sophie. Obwohl sie die älteste der drei Töchter ist, und damit, wie sie nicht müde wird zu erwähnen und sich selbst einzureden, kein Glück finden wird, zieht sie hinaus in die Welt. Die durch den Fluch verursachte Schwäche hält sie keine Sekunde davon ab, ihre großen Pläne – die grob als Abenteuerlust zusammengefasst werden kann – zu verfolgen. Niemals von der Seite weichen ihr dabei ihre Neugier und Beharrlichkeit, die von den anderen Protagonisten – Howl und Michael – oft verurteilt wird. Natürlich könnte man bemängeln, dass es nur so wenige Haupteigenschaften sind, die sie ausmachen, allerdings ist dies eine angenehme Abwechslung für mich. Die Protagonisten in den meisten Büchern heutzutage sind oft überdreht, müssen vielfältig scheinen und voller Überraschungen stecken, und am besten interessiert und begabt in Musik, Sport, Kunst, Politik, …. Doch eine beinahe perfekte Figur macht ein Buch kaum glaubhaft. Deshalb wirkt Sophie so authentisch. Ihre Fehler sind annehmbar, ja, sogar liebenswürdig. Handlungen und Gefühle sind nachvollziehbar. Sophie beweist auf jeder Seite auf eine neue Weise, dass Charaktere wie ihrer am stärksten auf den Leser wirken.

Auch Calcifer, ein Feuerdämon, der das Schloss bewegt, ist von dieser Sorte. Ein wenig hinterlistig, ein wenig stolz, aber am Ende doch wohlwollend und auf gewisse Weise harmlos: so schleicht er sich in das Herz eines jeden Lesers.

Was mich zu meinem nächsten Punkt bringt: der Rahmenhandlung um die Entwicklung der Charaktere herum. Was bietet besseren Stoff für Sagen und Geschichten als ein mysteriöses Schloss, das durch die Felder und Berge zieht und dessen Bewohner jeden Morgen an einem anderen Ort aufwachen? Dazu kommt noch die Tür, die es ermöglicht, 4 verschiedene Orte aufzusuchen, die etliche Kilometer (und teilweise auch Jahrzehnte oder Jahrhunderte) entfernt sind. Ein Feuerdämon sowie der Zauberer Howl und sein Lehrling Michael tragen natürlich nur zu der Magie des Buches bei. Dabei hätte dieser Aspekt ruhig noch mehr Zuwendung erfahren können. Wir erleben Windzauber, sprechende Totenschädel und Gitarren, Gestaltwandler und verzauberte Vogelscheuchen. Und so zahlreich diese Dinge auch vorkommen, es hätten von mir aus noch hundert Seiten mehr darüber geschrieben werden können. Manchen Zaubern wird man nie müde.

Besonders froh war ich darüber, die Eindrücke während des Lesens langsam – im Gegensatz zum Film – auf mich wirken lassen zu können. Endlich konnte ich so verstehen, was es mit ihren Schwestern auf sich hatte, wo der kleine Hund auf einmal her kam, und wie der Vertrag zwischen Calcifer und Howl aussah. Wie es bei Buchverfilmungen üblich ist, wird man den Film nach dem Lesen des Buches sprichwörtlich mit ganz anderen Augen sehen. Viele Aspekte, wie zum Beispiel Howls Familie, werde ich im Film jedoch vermissen. Es bleibt also nichts anderes übrig, als das Buch im Anschluss ein erneutes Mal zu lesen.

Fazit

Wer den Ghiblifilm bereits gesehen hat, und nun nach Antworten sucht, ist mit diesem Buch sehr gut beraten. Doch auch all denjenigen, die die Geschichte um Sophie, Howl, Calcifer und Michael fremd ist, ist „Das Wandelnde Schloss“ ans Herzen zu legen. So voller Magie und Zauber, Freundschaft, Überraschungen, Humor und Charakterstärke gilt es zurecht als Klassiker der Fantasyliteratur. Der zweite Teil ist unter dem Namen „Der Palast im Himmel“ bereits im August erschienen.

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